Worüber haben wir uns nicht alles vor der Geburt unserer ersten Tochter Gedanken gemacht: Wie wir die Elternzeit aufteilen wollen; wer welchen Teil der Hausarbeit übernimmt; welche Erziehungsvorstellungen wir haben; welche Wünsche und Ängste wir als werdende Eltern spüren usw. Ab dem Moment, als wir den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielten, waren wir im Kopf und Herzen bereits Eltern. Wir konnten es kaum abwarten endlich Mama und Papa zu sein.
Eltern sein und trotzdem Paar bleiben
Das ist jetzt knapp fünf Jahre her. Worüber wir uns damals wenig Gedanken gemacht haben, ist die Tatsache, dass wir seit der Geburt vom Tiger so gut wie immer Eltern, selten Paar und ganz wenig Einzelpersonen sind. Egal in welcher Situation, erst sind wir als Eltern gefragt, dann – wenn die Zeit dafür noch übrig bleibt – können wir auch Paar sein und die Zeitkrümel, die dann noch übrig sind, bleiben für jeden Einzelnen von uns. Mit der Geburt von Lila wurden diese Zeitfenster noch einmal deutlich enger.
Wie soll man das alles unter einen Hut bekommen? Geht das überhaupt? Ich finde ja. Mit ein paar Kompromissen, einer ordentliche Portion Verständnis für seinen Partner und etwas gegenseitiger Rücksichtnahme, gerade in den ersten Jahren.
Liebesbeziehung ist harte Arbeit
Liebe ist kein Bankkonto, das sich einfach so ohne eigenes Dazutun vermehrt (okay ich gebe zu, in heutigen Zeiten ein blödes Beispiel). Nein, eine funktionierende Paarbeziehung ist ein ständiger Entwicklungsprozess und hängt von der aktiven Mitwirkung beider Partner ab. Dauerhafte Beziehungen sind nicht selten harte Arbeit. Mit der Geburt des ersten Kindes ist es vorbei mit dem selbstbestimmten und spontanen Paarleben. Als Eltern hat man dann oft nur noch Augen und Ohren für die Belange der Kinder. Der Familienalltagsstress schlaucht und bringt viele Eltern an ihre Grenzen. Egal ob schlaflose Nächte, ständiges Kranksein in den ersten Lebensjahren oder Wutanfälle in der Trotzphase. Ausreichend Zeit für sich selbst und als Paar sieht anders aus.
Kein Wunder also, dass die Paarbeziehung dabei manchmal aus den Augen gerät und auch für Zweisamkeit kaum Zeit übrigbleibt. Dabei kann ohne körperliche Nähe keine Paarbeziehung auf Dauer überleben. Sex ist wichtig! Keine Frage! Aber auch die kleinen und größeren Momente körperlicher Nähe im Alltag.
Kleine Zeichen im Alltag:
Wir nutzen die kurzen Zeitfenster im Alltag: Eine Umarmung beim gemeinsamen Spaziergang, bevor wir die Kinder von der Kita abholen. Ein Kuss beim gemeinsamen Mittagessen in der Stadt oder ein Ankuscheln beim Latte Macciato auf dem Sofa, wenn die Kinder gerade in ihren Zimmern spielen. Einmal im Jahr fahren wir für ein Wochenende in ein Wellnesshotel und genießen super exklusive Paarzeit. Die Kinder machen dann Urlaub bei Oma und Opa.
Seit der ersten Schwangerschaft schreiben wir uns gegenseitig Postkarten. Das machen wir bis heute, auch wenn aus wöchentlich eher monatlich geworden ist. Die Postkarten kleben wir anschießend an eine Wand im Schlafzimmer. So sind sie weiterhin für uns präsent (und es sieht zusätzlich noch gut aus). Wenn man gerade keine Postkarten zur Hand hat, eine nette What´s App oder SMS tut´s auch.
Wir haben uns eine Paar-Lotterie gebastelt. Immer im Wechsel darf einer von uns beiden ein Los ziehen. Auf den Losen stehen Paar-Aktionen. Erst wenn das Los eingelöst ist darf neu gezogen werden.
Tipp: sich als Paar überlegen was die Partnerschaft ohne Kinder eigentlich ausgemacht hat. Wenn es dann gelingt, 5 Prozent davon wieder aufleben zu lassen, dann ist ein großer Schritt in Richtung stabile Partnerschaft getan.
Gegenseitiges Verständnis:
Für die Person, die einen längeren Zeitraum komplett zu Hause bleibt oder in Teilzeit geht, ist der Alltag mit Kindern nicht immer einfach. Die berufliche Wertschätzung der Kollegen, vom Vorgesetzten oder der Kunden ist nicht zu unterschätzen. Ist man „nur noch“ zu Hause und für Kind und Kegel zuständig, fehlt oft genau diese Wertschätzung. Der vollberufstätige Elternteil hat dafür manchmal einfach kein Verständnis. Statt Aussagen wie: „Was hast du denn, du bist doch Zuhause und kannst dich ganz in Ruhe um die Kinder kümmern!“ wäre beispielsweise eher Fragen hilfreich: „Wie war dein Tag? Wie geht es dir in deiner Rolle als Mutter bzw. Vater? Was kann ich tun, damit es dir gut geht?“
Da wir unsere Elternzeiten aufgeteilt hatten (acht Monate meine Frau, sechs Monate ich) können wir uns beide in die jeweils andere Rolle hineinversetzten. Klassisches Beispiel: abends, nach einem langem Tag Kinderbetreuung in den eigenen vier Wänden drückt Elternteil A dem von der Arbeit nach Hause kommenden Elternteil B die Kinder in die Hand und sagt: „Bitte schön, endlich kommst du! Ich brauche dringend eine Pause!“. Elternteil B hatte aber selbst einen stressigen Arbeitstag und würde gerne für 10 Minuten eine Pause machen bevor er sich um die Kinder kümmert. „Schatz, ich hatte einen super stressigen Tag im Büro. Ich brauche jetzt dringend selber eine Pause.“ Meistens ist uns klar, dass jeder von uns eine Pause dringend vertragen könnte. Wir handeln dann aus, wer wann seine Pause bekommt. Meistens gelingt uns das 😉
Reden hilft:
Oft ist der Familienalltag so eingefahren, dass man nur noch nebeneinander her lebt. Man ist vielleicht ein top eingespieltes Elternpaar, das Liebespaar ist dabei aber auf der Strecke geblieben. Spätestens dann sollte man miteinander reden, erzählen wie es einem geht, seine Wünsche dem Partner mitteilen und fragen was seinem Gegenüber beschäftigt und wieder Nähe wagen.
Wir reden viel (was vermutlich nicht weiter verwunderlich ist bei einem Pädagogen und einer Lehrerin) und das nicht nur über unsere Kinder sondern auch bzw. gerade über uns und unser Leben. Hierbei geht es darum was uns bewegt, was uns freut, worüber wir uns geärgert haben oder was wir uns wünschen. Abends auf dem Sofa, tagsüber per Telefon oder am Wochenende z.B. auf der Spielplatzbank während unsere Kinder schaukeln.
Tipp: Vom Eltern-Alltag eine kurze Auszeit nehmen, sich als Paar gegenüber auf einen Stuhl setzen, sich fünf Minuten still in die Augen zu schauen oder in gemeinsamen Erinnerungen zu schwelgen.
Abgrenzung von den Kindern:
Wer kennt das nicht: man sitzt als Paar abends gerade mal zwei Minuten gemeinsam auf dem Sofa und zack, hat sich eins oder alle Kinder zwischen Mama und Papa gesetzt.
Bei uns gibt es Familien- und Paarzeiten. Beispielsweise müssen unsere Kinder abends nach dem Sandmann ins Bett und unsere Paarzeit beginnt. Das sagen wir den beiden auch so. „Mama und Papa haben jetzt Erwachsenenzeit.“ Unsere Töchter haben dann im Wohnzimmer nichts mehr zu suchen. Meistens jedenfalls… 😉
Zeit für sich selbst:
Ich liebe meine Frau und bin gerne mit ihr zusammen. Sie und meine Kinder sind mein ein und alles. Trotzdem gibt es noch mich, den Rüdiger. Mich, mit meinen Hobbys und meinen Interessen. Die habe ich im ersten Lebensjahr vom Tiger so gut wie gar nicht mehr in den Blick genommen. Bevor ich Vater wurde war ich oft im Kino, habe Freunde getroffen und ziemlich viel Sport getrieben. Teilweise saß ich das ganze Wochenende im Rennradsattel. Im letzten Herbst habe ich mir eine Rennrad-Rolle gekauft. Wenn meine Kinder abends schlafen gehe ich mit dem Babyphone auf den Dachboden und trete fleißig in die Pedale. So bin ich zur Not für meine Kinder da, kann mich aber gleichzeitig wunderbar auspowern. Nur auf laute Musik muss ich leider verzichten.
Krisen gehören dazu:
Zum Schluss noch eins. Krisen gehören zu jeder Partnerschaft dazu, sie sind ganz normal und können, wenn sie gemeinsam überwunden werden, zu einer Weiterentwicklung des Paares führen.
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