Schlagwort: Steuerungerechtigkeit

Was die Politik für Eltern tun sollte!

SIEBEN IST DIE NEUE NEUNZEHN!

Uns Eltern wird gerne ein schlechtes Gewissen eingeredet. So meint beispielsweise Frau Lottritz in der Süddeutschen Zeitung: „Wer als Familie in der Elternzeit von Mama und Papa länger in den Urlaub fährt ist unverschämt, denn er macht Urlaub auf Staatskosten“

Die Wahrheit ist, wir Eltern werden von Geburt unseres ersten Kindes an zur Kasse für den Staat gebeten. Das beginnt schon direkt nach der Geburt. Da geht Papa noch ganz glückselig sein Kind beim Einwohnermeldeamt anmelden und schon hat er die ersten Euro bezahlt, Bearbeitungsgebühr wird das genannt. Immerhin bekommt man dafür drei Geburtsurkunden  gratis. Jede weitere kostet allerdings extra. Dann geht es gleich weiter. Papa fährt (wenn die Eltern nicht vor der Geburt schon alles besorgt haben) zum nächstgelegenen Drogeriemarkt und kauft Pampers, Feuchttüchter, Schnuller, … Und bei jedem Produkt hält der Staat seine Hand auf. Und nein, der Vater Staat ist nicht so nett und nimmt „nur“ sieben Prozent Mehrwertsteuer Natürlich nicht! Die hochwertigen Babyprodukte sind mit 19 Prozent besteuert. Auch beim Kauf eines Babyphones, einer Wärmelampe oder eines Kinderwagens, egal ob im Fachgeschäft oder im Internet, 19 Prozent vom Endpreis bekommt die Staatskasse. Und bei einem Kinderwagen, der beispielsweise mit 600 Euro ausgeschildert ist, sind das satte 114 Euro. Da freut sich der Finanzminister. Nur der Babybrei oder das Milchpulver gehören Gott sei Dank zur Kategorie Lebensmittel und werden mit sieben Prozent besteuert.

Anderes Rechenbeispiel: Eine 90er-Packung Pampers Größe 3 kostet im Laden um die 18 Euro. 19 Prozent davon sind Mehrwertsteuer. Also gehen von jeder vollen Windel 3,8 Cent an die Kassen von Stadt, Land und Bund. Das sind bei durchschnittlich 6 Windeln am Tag 83,22 Euro im Jahr. Bei sieben Prozent Mehrwertsteuer wären es nur 30,66 Euro. Macht 52,56 Euro Differenz. Und bei einem Vater oder einer Mutter, die für acht Euro Mindestlohn arbeiten, heißt das 6,5 Stunden nicht bei der Familie zu sein, sondern im Unternehmen (ja, ich weiß, der Vergleich hinkt. Die wenigsten Eltern mit Mindestlohn kaufen Pampers).

Und bei uns in Münster geht es noch weiter. Die volle Windel muss ja wohin. Also ab in den Restmüll. Kommen Paare ohne Kinder in der Regel mit der kleinsten 35l Tonne aus, ändert sich das mit dem ersten Kind schlagartig auf wenigstens 60 Liter. In Münster sind das Mehrkosten in Höhe von 42,60 Euro pro Jahr. Ich weiß, es gibt inzwischen Städte, die sind bezüglich Windelmüll familienfreundlicher. Münster leider nicht. Also: Augen auf bei der Städtewahl 😉

Zurück zum Neugeborenen. Oma und Opa stehen schon nach wenigen Stunden am Babybett und sind total begeistert vom Nachwuchs. Natürlich haben sie auch Geschenke mitgebracht. Ein Schmusebär, ein Schnuffeltuch oder das erste kleine Spielzeug. Wieder gehen bei all den Geschenken 19 Prozent direkt aus der Ladenkasse auf das Konto vom Staat. Sollten die stolzen Großeltern der Tochter bzw. Schwiegertochter allerdings Schnittblumen mitbringen, dann ist der Staat so gerührt, dass er nur 7 Prozent haben möchte.

Also unterstützt nicht der Staat uns Familien, sondern WIR – die Eltern aus NRW, Bayern, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, usw. – sind die Staatskassenfüller Nummer 1. Wir Eltern sind die Top-Steuerzahler, weit vor Bertelsmann, Siemens, Thyssen-Krupp und wie die großen Konzerne alle heißen. Und da wir Familien ganz viele Baby- Kinder- und Jugendsachen kaufen, hat der Staat das Kindergeld und alle anderen Familienleistungen ganz schnell wieder eingespielt.

Dieses Jahr ist Superwahljahr. Die Politik hat plötzlich die Familien in den Blick genommen. Überall hängen schöne Plakate mit glücklichen Kindern und Eltern, gerne mit dem Spitzenpolitiker in der Mitte. SPD, CDU/CSU, GRÜNE und FDP, alle wollen so gerne etwas für Familien tun. Auf den Plakaten und den Wahlprogrammen geht es meist um Kitaausbau, einen besseren Betreuungsschlüssel, Ganztag und um G8 oder G9. Unsere aktuelle Familienministerin hat gerade ihr „Familienarbeitszeit“ und „Familiengeld“ aus der Schublade geholt und die CSU will plötzlich ein „Kindersplitting“ und „Baukindergeld“ Die CDU, FDP und die GRÜNEN haben bestimmt auch ein paar schöne Ideen.

Was ich bislang von keinem Politiker bzw. von keiner Politikerin gehört habe, ist die Forderung nach sieben Prozent Mehrwertsteuer auf alle Kinderprodukte. ALLE, egal ob es die oben bereits erwähnte Pampers ist, das Wickeltuch, das Beistellbett, das Jugendfahrrad, der Schultornister, das Brettspiel, die Winterjacke in Größe 178, Fußballschuhe oder der Familienurlaub ist. Das wäre aus meiner Sicht eine deutliche Entlastung für alle Eltern. Aber so ein Vorschlag braucht Mut, Selbstbewusstsein, Durchsetzungsfähigkeit und Verständnis für die Lebenssituation von Familien. Und diese Fähigkeiten haben scheinbar die wenigsten VolksvertreterInnen. Dabei sind viele selbst Mutter oder Vater und somit ebenfalls fleißige 19 Prozent-Kinderprodukte-ZahlerInnen. Meine Tochter würde mich jetzt vermutlich fragen: „Papa, warum ändern die das nicht?“ Und da wäre wieder so eine Frage, die Papa mal nicht auf die Schnelle beantworten kann. Aber vielleicht nehmen sich die Parteien doch einen Ruck und am Ende 2017 kann ich zu meinen Kindern sagen: „Sie haben es geändert.: SIEBEN IST DIE NEUE NEUNZEHN!